Der Gibson Martini – ein einfacher Gin Cocktail, der höchste Ansprüche stellt

Im Zuge des Gin-Revivals erlebten zahlreiche Bar-Klassiker einen Relaunch. Jede halbwegs gut geführte Einrichtung bietet mittlerweile verschiedene Tonic-Wasser an und über Sonderwünsche wie Apfel-Scheibe statt Zitrus-Zeste wundern sich Bartender/-innen längst nicht mehr. Ein Cocktail aber hat den Gin-Hype fast unbeschadet überstanden: Der Gibson ist so speziell, dass er kaum Experimente zulässt – und heute noch so gut ist wie einst..

Was genau ist ein Gibson?

Grundsätzlich ist der Gibson eine Variante des klassischen Martini. Sein Rezept sieht vor, die Garnitur durch 1-3 eingelegten Silberzwiebeln abzuwandeln. Doch diese Spielart ist mehr als ein bloßer Twist, denn das Gemüse verleiht Drinks dieser Art eine buchstäblich eigene Note.

Die Zubereitung selbst ist denkbar einfach. Für die Umsetzung von einem Gibson Martini Rezept werden 6 cl Gin und 2 cl Wermut auf Eis gerührt, in ein gefrostetes Glas abgeseiht und mit Pickled-Zwiebeln garniert.

Soweit, so leicht. Doch der Gibson wäre kein Klassiker, wenn er wirklich simpel wäre. Wie die meisten einfach zusammengesetzten Cocktails verlangt er nach äußerster Sorgfalt. Die Auswahl der Zutaten bestimmt maßgeblich über seine Qualität und den damit verbundenen Genuss. Darüber hinaus kann ein falscher Handgriff die ganze Kreation zunichte machen – denn wo nichts vom Wesentlichen ablenkt, fallen Fehler am meisten auf.

Um einem Gibson den ihm gebührenden Auftritt zu verschaffen, nähern sich Mixer/-innen dem Cocktail am besten von Anfang an:

Wer hat den Gibson erfunden?

Wann die Martini-Variante erstmalig kreiert wurde, ist ungewiss. Unter Fans und Kennern kursieren zwei Entstehungs-Legenden, die mehr oder weniger plausibel erscheinen. Beide führen zurück ins Amerika der Jahrhundertwende, das sogenannte Fin de siècle, das geprägt war von Snobismus, Dekadenz und einer bis dato ungekannten Freizügigkeit.

Hier lebte u.a. Charles Dana Gibson, der mit Zeichnungen ein neues Frauenbild schuf – das der jungen unabhängigen Oberschichtlerin. Die Veröffentlichung der Illustrationen machte ihn so reich, dass er selbst in die abgebildete Oberklasse aufstieg und eine Zeitlang ihr schillernder Mittelpunkt war. Als Hommage soll der Bartender des angesagten New Yorker Players Club einen Drink kreiert haben, der den berühmten Gibson-Girls huldigte. Angeblich stellten zwei Silberzwiebeln im Cocktail das pralle Dekolleté der Damen dar.

Weniger anzüglich, weniger aufregend, aber sehr viel wahrscheinlicher ist die Erzählung um Walter D.K. Gibson, einen gleichfalls US-amerikanischen Geschäftsmann. Er soll die Mischung aus Wermut, Gin und Zwiebeln im Bohemian Clubvon San Francisco geordert haben als er gerade beim Pokern war. Dessen langjähriger Vize-Präsident veröffentlichte das so entstandene Gibson Martini Rezept im New York World Magazin – wodurch diese Erfindungs-Geschichte glaubwürdiger erscheint als die Comic-Girl-Story um nackte Brüste. Eindeutig belegt ist sie jedoch nicht.

Was gehört in den Gibson (nicht) hinein?

Was den Gibson zum Martini der Extra-Klasse macht, haben wir bereits erwähnt. Welche Maßstäbe die einzelnen Zutaten erfüllen sollten, erläutert dieser Abschnitt:

Der optimale Gin

Der weltweite Siegeszug des Gins ist unübersehbar. Neue Labels und ihre Produkte schießen wie Pilze aus dem Boden – und nehmen diese bildhafte Umschreibung manchmal allzu wörtlich. Einige Kreationen beinhalten so außergewöhnliche Zutaten, dass sie kaum noch an den ursprünglichen Wacholder-Brand erinnern. Tatsächlich stecken in manchen Sorten Botanicals, die eher an den Baukasten eines geschickten Parfumeurs erinnern.

Vor allem aber muss Gin das enthalten, was ihm seinen Namen gegeben hat: die herb-frischen Beeren des Juniperus – dem Wacholderstrauch, der im Französischen genévrier oder genièvre genannt wird. Sie sorgen für das charakteristische Gin-Aroma und sind in einigen Sorten stärker vertreten als in anderen.

Bei der Auswahl für einen Gibson Martini sollten kräftige Noten überwiegen, da er von Haus aus eher herb ist und durch die Silberzwiebel(n) eine sehr eigene Note erhält. Um in diesem Cocktail zu bestehen, muss der Gin Charakter haben und darf sich nicht hinter üppigen Bouquets verstecken. Dadurch scheiden viele moderne Varianten des Wacholder-Brands aus.

Vertreter mit überwiegend blumigen oder zitronigen Nuancen, dominierenden Würz-Aromen oder einem allzu strengen Wacholder-Taste bestehen die Eignungs-Prüfung nicht. Eine gute Wahl sind Gins in klassischer englischer Manier ohne viel Schnick, Schnack und Schischi.

Der perfekte Wermut

Nicht ganz so schwierig ist die Auswahl des Wermuts – schon deshalb, weil das Sortiment (noch) deutlich übersichtlicher ist. Dennoch können auch hier Fehler passieren, denn so herb der Gibson prinzipiell ist : allzu trocken sollte der Kombi-Partner des Gins nicht ausfallen.

Wer sich an der Entstehungsgeschichte des Cocktails orientiert, trifft beinahe automatisch die richtige Wahl. Im Fin de siècle wurden zunehmend trockene Wermuts produziert, um das süße Original zu kontrastieren. Es hatte sich seit seiner Erfindung als « Frauengetränk » etabliert und brauchte nun einen Gegenpol – den es vor allem in den französischen Versionen fand.

Ein Klassiker auf diesem Gebiet ist Noilly Prat mit deutlichen Weißweinnoten und einer diffusen Süße. Dicht gefolgt wird er vom Dolin Dry, der schöne Kräuter-Nuancen bietet ; aber auch etwas bitterer wirkt. Mit Mancino Secco wird der Gibson mediterran, denn in diesem Wermut steckt eine gute Portion Thymian.

Die besten Zwiebeln

Beim Garnish für den Gibson wird es noch einmal kompliziert. Dass das außergewöhnliche Gemüse nicht aus dem Convenience-Regal des Discounters kommen sollte, scheint klar – doch auch hier gibt es Ausnahmen. Manche Sorten wahren die Balance zwischen würzig-deftig und säuerlich-heftig ganz gut, sind aber im wahrsten Sinne des Wortes Geschmackssache.

Die größere Auswahl hat, wer seine Gibson-Zwiebeln im Feinkost-Laden kauft, da hier in der Regel Kostproben möglich sind. Dabei stellt sich am besten heraus, ob eine gewisse Grundsüße vorhanden ist und verhalten milde Säure vorherrscht.

Am besten fährt natürlich, wer die Zwiebeln selbst einlegt. Durch eine individuelle Mischung aus Senf-, Pfeffer- und Pimentkörnern sowie Nelken und Lorbeer erhält der Sud den bevorzugten Taste. Noch „gibson-kompatibler“ wird es durch die Zugabe typischer Gin-Gewürze wie Koriander.

Wie wird der Gibson zubereitet, angerichtet und getrunken?

Die alte Frage, ob ein Martini geschüttelt oder gerührt wird, stellt sich allenfalls Bond-Fans. Shaken gilt als grober Fehler, denn dabei lösen sich winzige Partikel aus dem Eis, die den fertigen Drink trüben. So herb und makulin der Gibson auch ist: er sollte klar bleiben und lediglich durch das geeiste Glas matt wirken.

Als Servier- und Trinkgefäß für den Gin Cocktail eignen sich ein klassischer Martini-Kelch oder eine Coupette. Beiwerk wie Salz- oder Zuckerkrusten sind tabu, da sie weder dem Charakter des Drinks noch seiner individuellen Note entsprechen.

Erfahrene Bartender/-innen raten dazu, den Gibson mit exakt drei Perlzwiebeln zu kredenzen. Dabei kommt eine auf den Boden des Glases und zwei auf den Spieß. Gegessen werden sie nach dem zweiten, vierten und letzten Schluck.

Damit ist nicht nur bei der Zubereitung eines Gibson Martini, sondern auch beim Genuss ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit geboten.

 

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